Vom Schnitt

Ich war schon immer ein Langhaardackel. Mit 14 Jahren hab ich mir zwar eine kurze Auszeit gegönnt und hab mir die Haare kurz schneiden lassen. Stolz habe ich meine Kurzhaarfrisur mit einem lässigen langen, dünnen schwarzgefärbten Zöpfli vorgeführt. Aber das wars auch schon mit der Kurzhaarkarriere. Von dem Zick – Zack Bob aus meiner Kindheit mal abgesehen. Danach trug ich sie wieder lang. Und blond (blondiert). Immer. Ein Markenzeichen, Schmuck und ein Teil meiner Identität.

langes blondes Haar

Letzteres ist ein Grund meiner Veränderung. Kaum der Rede wert, magst du denken. Aber zumindest ein Post wert – finde ich. Zugegebener Weise hat es mich mehr Mut gekostet (vor allem in der emotionalen Zubereitungsphase) als die vor drei Jahren verrückte Fahrt auf der Skisprungschanze in Einsiedeln. Und das war im Fall mein persönlicher Überwindungsschritt Nr. 1.

Profil langes blondes Haar

Also zurück zum Schnitt. Ich habe glücklicherweise meine Coiffeuse (die übrigens seit einem halben Jahr meine Nachbarin und treue Firabenbier oder Bitter Lemon Komplizin geworden ist) des Vertrauens gefunden. Ja und drum hab ich den Schnitt oder besser gesagt den Schritt gewagt.

Mutig die Schwelle zum Styling Atelier in Burgdorf betreten, eröffne ich meine Ansage: „Es muss weg. Alles kranke und kaputte Haar muss weg. Jetzt oder nie“. Den Platz auf dem Stuhl eingenommen und den ersten Schluck Glüürliwasser getrunken – die Gala fest in den Händen und schon sind die ersten 20 cm weg. Kurz und schmerzlos. Zack bumm.

langer blonder Bob

So soll es sein. Nach weiteren 30 Minuten schaue ich mein neues ICH im Spiegel von allen Seiten an. Das vorher Nachher Bild fehlt nicht. Das Endresultat: Besser als gut. Frei. Leicht. Anders.

Die Geschichte hat aber noch einen tieferen Sinn. Das alte musste weg. Zu lange hab ich mich mit Altlasten und Idealbildern beladen. Das soll weg. Ungesundes Haar soll genauso fest wie ungesunde Denkmuster verschwinden. Gesundes Haar soll nachwachsen und gesunde Gedanken über mich selbst überspielen die alten Denkmuster neu. Meine Identität liegt nicht in Äusserlichkeiten oder Scheinidenditäten. Genauso wenig wie mein langes Haar mein Markenzeichen sein soll.

Und was ist meine Identität? Das eröffnet ein weiteres langes Kapitel. Aber ich halte mich kurz. Ich mags kurz.
Was Identität NICHT ist:

  • Erreichtes / Erfolge
  • Äusseres / langes Haar (ahaa)
  • Status / Einfluss
  • Job
  • Anzahl Kinder /erreichte Ehejahre
  • Ausbildung / Zertifikate / Beförderungen /Auszeichnungen
  • Erfahrung
  • Familiäre Hintergründe
  • Besitz
  • Likes
  • Beifall /Anerkennung
  • Einrichtung
  • Hobbies
  • Gute Taten / Liebe Gesten

Was bleibt da noch übrig? Nichts? Stimmt!

Meine Identität muss ich nicht länger suchen, sondern finde sie in der Gnade Gottes. Der Glaube an Jesus Christus lässt mich Frieden mit diesem Thema schliessen. Nichts erreichen zu müssen ist eine Erleichterung. Keinen Idealen zu entsprechen, befreit.  Weder auf Beifall noch auf Erfolge zu hoffen, ist eine Wohltat. Identität nicht länger zu suchen sondern zu finden bringt Ruhe ins Herz. Ich glaube, dass Idendität nicht in der Selbstverwirklichung liegt, sondern in der Erkenntnis, dass Gott unser Ruheort ist und Freiheit durch seinen Sohn Jesus bringt. Fromm? Ja! Unbedingt.

 

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